4. — Das neue Anwesen des Markus, ein Wunderwerk Raphaels
[GEJ 5.4.1] Markus sah sich um und ward ganz betroffen von dem Anblicke dessen, was da alles in einem Nu entstanden war. Es stand ganz vollendet ein schönes aus Backsteinen gemauertes Haus rechts gen Nordost vom alten Fischerhaus und reichte mit der südöstlichen Front nahe ganz ans Meer hinaus. Es hatte ein Stockwerk mit einem bequemen Gang ums ganze Haus herum, und zu ebener Erde bestand es aus einer geräumigen Küche, aus einer großen Speisekammer und noch aus achtzehn Räumen, darunter fünf Wohnzimmern und dann dreizehn großen Gemächern zu allerlei landwirtschaftlichen Zwecken, als allerlei Getreidekammern, Fleischkammern, Kammern für Obst, Gemüse, für Hülsen- und Wurzelfrüchte. Eine große Kammer stellte einen mit weißem Marmor ausgemauerten Wasserbehälter dar, der gut seine zwanzig Quadratklafter maß und im ganzen durchgängig eine Wassertiefe von sechs Fuß hatte; das Wasser stand aber nur viereinhalb Fuß hoch, was zur Behaltung von Edelfischen tief genug war.
[GEJ 5.4.2] Dieser innere Fischbehälter bekam sein reinstes Wasser aus einer ganz neuen reichlichen Quelle; es drang von unten durch kleine, aber viele Öffnungen einer Steinplatte in den Behälter bis zur bestimmten Höhe. Von da lief eine Abzugsröhre hinaus ins Meer, konnte aber, so man etwa den Behälter voll Wasser haben wollte, von außen zugestopft werden. Um den Wasserbehälter ging ein sehr schönes, durchbrochenes, zweieinhalb Schuh hohes Geländer, ebenfalls aus weißem Marmor angefertigt, und auf einer Seite war, für den Fall, daß der Wasserbehälter mit Wasser voll angelassen würde, ein sehr zierlicher Abzugskanal angefertigt, der natürlich durch die Mauer des Hauses ging und ebenfalls unfern der tieferen Abzugsröhre ins Meer mündete. Die Wände und der Fußboden waren ebenfalls mit weißem Marmor verkleidet, des Gemaches Decke aber bestand aus Zedernholz reinster und festester Art ohne Ast und Splint. Dies Gemach ward durch fünf Fenster erhellt, die alle eine marmorne Einrahmung hatten, und jedes maß eine Höhe von fünf und eine Breite von drei Schuh. Die Fenster waren mit höchst reinen Kristalltafeln versehen und zum Auf- und Zumachen eingerichtet, wie im gleichen auch alle andern Fenster des Hauses.
[GEJ 5.4.3] Das Haupttor war aus goldähnlich schimmerndem Erz, alle Zimmertüren aber aus bestem Zedernholz gar zierlich und nett gearbeitet und mit guten Riegeln und Schlössern zweckmäßigst versehen. Der erste Stock aber war durchgängig mit Zedernholz höchst zierlich ausgetäfelt, und jedes Gemach gewährte einen wundervollsten Anblick. Zugleich aber waren zu ebener Erde wie im ersten Stockwerk alle Gemächer mit allem möglichen, was eine beste Herberge erfordert, auf das reichhaltigste eingerichtet und versehen, und die Getreidekammer war voll Getreide, die Speisekammer voll von allem möglichen, was man in einer Küche braucht. Kurz, es war nicht nur das verlangte Haus ganz nach der schon lange innegehabten luftschlösserbaulichen Idee des Markus auf das solideste hergestellt, sondern mit allen Mund- und andern Vorräten auf das reichlichste für Jahre ausgestattet.
[GEJ 5.4.4] Hinter dem Hause waren noch Stallungen für allerlei Vieh, und mehrere Fischergerätehütten waren aufs geschmackvollste und zugleich zweckmäßigste erbaut und mit allem Erforderlichen eingerichtet und reichlichst versehen, und um alle die neuen Gebäude zog sich ein bei zwanzig Joch großer, ganz dicht eingezäunter Garten, vormals eine herrenlose Sandsteppe, nun der fruchtbarste Boden, bestellt mit allerlei von den besten Fruchtbäumen. Ein paar Joch aber waren ganz mit den besten Weinreben bestellt, die alle von den schönsten und saftreichsten und schon vollreifen Trauben strotzten. Auch an Gemüse hatte es keinen Mangel.
[GEJ 5.4.5] In der Mitte des Gartens war noch ein bestes Gesundheitsbad mit einem Tempel aus Marmor errichtet. Es hatte zwei gesonderte Becken: das eine zur Heilung der Gichtbrüchigen mit sehr warmem Quellwasser und das zweite zur Heilung der Aussätzigen mit lauen Schwefel- und Natronquellen versehen, die durch Raphaels Macht nach Meinem Willen erst aus dem Innersten der Erde dahin geleitet wurden. Zugleich ersah er auch einen mit lauter Geviertsteinen eingefaßten Seehafen und fünf große, bestkonstruierte Schiffe mit Segeln und Rudern im sehr geräumigen Hafen, dessen Eingang, obwohl sechs Klafter breit, zur Nachtzeit mit einer ehernen Kette ganz abzusperren war. Es war dieser Hafen genau nach der oft gehabten Idee des alten Markus, der bei der Besichtigung alles dessen, was da wunderbar entstanden war, sich immer die Augen ausrieb, da er gleichfort der Meinung war, daß er schlafe und diese Dinge also im Traume sähe.
[GEJ 5.4.6] Als er mit der Besichtigung, die nahe eine Stunde andauerte, fertig war, kam er (Markus) nahe ganz schwindlig zurück und sagte voll Staunens: „Ja, ist denn das wohl alles Wirklichkeit oder sehe ich das alles nur in einer Art beseligender Träumerei? Nein, nein, das kann keine Wirklichkeit sein! Denn so habe ich schon mehrmals mir in meiner müßigen Phantasie eine Herberge ausgemalt und auch schon etliche Male in Morgenträumen geschaut, – und du, Freund aus den Himmeln, hast mich in einen künstlichen Schlaf versetzt, und ich habe meine eigenen Ideen nun einmal wieder im Traume beschaut!“
[GEJ 5.4.7] Sagt Raphael: „Du kleingläubiger Römer du! Wenn das alles ein Traumgesicht wäre, so würde es nun nicht mehr zu sehen sein, und das wirst du denn doch nicht mehr behaupten wollen, daß du noch schläfst und gleichweg träumst? Sende nun dein Weib und deine Kinder hin, daß sie auch nachsehen, was alles da ist, und sie werden dann kommen und dir aus dem Traume helfen!“
[GEJ 5.4.8] Sagt Markus, sich noch einmal nach dem neuen Hause umsehend: „Oh, es ist kein Traum, es ist lautsprechende Wirklichkeit! – Wird sie aber wohl bleiben?“