GEJ1 224. - Liebeswettstreit zwischen Kisjonah und Baram. Wichtigkeit und Wesen der inneren Selbstbeschauung
1] Wir erheben uns denn sogleich von unseren Rastbänken und gehen hinaus in den Garten, allwo schon ein reichliches Morgenmahl unser harret, das noch gleichfort der Baram für uns bereitet hatte.
2] Kisjonah sagt zwar zum Baram: „Aber Bruder, was tust du denn?! Meinst du etwa, daß meine Speicher, Speisekammern und Weinkeller leer stehen?!“
3] Sagte Baram: „Bruder, ich weiß nur zu gut, daß tägliche tausend Gäste deine Vorräte in tausend Jahren nicht aufzehren würden; aber ich gehöre gottlob doch auch nicht zu den Armen dieses Landes, und so laß mir heute noch die Freude, alle diese Gäste durch mich zu bewirten! Denn mir macht das eine große Freude, mit meiner Wenigkeit dem Herrn dienen zu können! Morgen soll es wieder auf deinen Kochherden so lebhaft als nur immer möglich hergehen!“
4] Kisjonah und Baram umarmen und küssen sich und setzen sich darauf ebenfalls zu Tische und verzehren einen köstlichen Fisch mit Brot und Wein.
5] Nach dem Mahle aber fragt Kisjonah, womit man sich den Tag hindurch beschäftigen werde, oder ob Ich etwa wieder irgendeinen Ausflug vorhätte, auf daß er Anstalten zu einer bequemen Reise machen könnte.
6] Sage Ich: „Mein Freund und Bruder! Sorge nur du dich um nichts! Was die Zeit bringen wird, das soll ergriffen werden! Aber es wird die heutige und morgige nichts oder wenig bringen außer uns selbst, und daher werden wir auch keiner besonderen Vorbereitungen bedürfen. Morgen gen Abend wird Philopold aus Kana kommen; der wird auch manches zu erzählen wissen.
7] „Jetzt aber wollen wir bis gen Mittag hin einige Übungen in der Sichselbstbeschauung unter dem kühlenden Schatten der Bäume halten!
8] Denn wahrlich sage Ich euch: Nichts ist dem ganzen Menschen heilsamer als eine zeitweilige innere Sichselbstbeschauung! Wer sich und seine Kräfte erforschen will, der muß sich zu öfteren Malen selbst erforschen und innerlich beschauen.
9] Weil aber solches eben so notwendig ist, darum wollen wir denn für heute vormittag auch eine solche Übung vornehmen, und nach dem Mittagsmahle aber werden wir ein bißchen aufs Meer uns begeben und sehen, was allenfalls da zu machen sein wird.“
10] Es wissen aber einige nicht, wie sie es mit der inneren Selbstbeschauung anfangen sollen, und fragen Mich darum. Ich aber sage: „Ruhet und denket im stillen lebendig nach über euer Tun und Lassen, über den euch wohlbekannten Willen Gottes, und ob ihr demselben nachgekommen seid zu den verschiedenen Zeiten eures Lebens, so habt ihr euch innerlich selbst beschaut und dadurch stets mehr und mehr dem Eindringen des Satans in euch den Weg erschwert. Denn dieser sucht nichts emsiger, als durch allerlei äußere, nichtssagende Gaukeleien den Menschen an seiner inneren Sichselbstbeschauung zu verhindern.
11] Denn hat der Mensch einmal durch Übung irgendeine Fertigkeit in der Beschauung seines Innern erreicht, so findet er in sich auch nur zu leicht und zu bald, welche Fallen ihm der Satan gelegt hat, und kann dann diese weidlichst zerstören und zunichte machen und aller künftigen Arglist desselben Feindes auf das energischste vorbauen. Das weiß der Satan nur zu gut und ist daher alleremsigst beschäftigt, durch allerlei die Seele nach außen ziehende Gaukeleien eben die Seele selbst zu beschäftigen, und er hat dann hinter der Wand ein ganz leichtes, unvermerkt der Seele allerlei Fallen aufzurichten, in die sie sich am Ende derart verstricken muß, daß sie dann fürder zu einer Sichselbstanschauung gar nicht mehr gelangen kann, was sehr schlimm ist.
12] Denn dadurch wird die Seele dann stets mehr von ihrem Geiste getrennt und kann denselben nicht mehr erwecken, und das ist dann schon der Beginn des zweiten Todes im Menschen.
13] Nun wisset ihr, worin die innere Sichselbstanschauung besteht. Machet darum von nun an bis gen Mittag eine solche Übung im stillen und lasset euch bis dahin durch keine äußere Erscheinung stören! Denn der Satan wird sicher nicht unterlassen, euch durch irgend ein oder das andere äußere Spektakel davon abzuziehen. Aber dann erinnert euch, daß Ich euch solches vorausgesagt habe, und kehret ja wieder schnell in euch selbst zurück!“
14] Darauf begibt sich alles in die volle Ruhe, und jeder fängt an, recht kräftig sich selbst zu beschauen, und das Geschäft geht eine volle Stunde ganz ungestört fort.
225. - Störung der inneren Selbstbeschauung. Erscheinung eines Ungeheuers, eines richtigen Leviathans. Lohnverheißung für mutiges Ausharren. Der Engel Archiel verscheucht das Tier. Das drohende Ungewitter. Stärkung der Schwachen
1] Nach einer Stunde aber geschieht plötzlich auf einmal ein dröhnender Knall, als wenn ein starker Blitz ganz in der Nähe in ein Haus eingeschlagen hätte. Alle erschrecken gewaltig und fahren auf; aber sie gedenken Meiner Worte und begeben sich schnell wieder zur Ruhe.
2] Aber Satan läßt nicht lange auf sich warten; bald nach dem Knalle vernehmen die Ruhenden, aber im Geiste Tätigen, ein unheimliches Zischen und Pfeifen, und es dauert nicht lange, so erhebt sich am Ufer des Meeres ein Ungeheuer seltener Art. Der Kopf gleicht dem eines Wolfes, nur wenigstens hundertmal so groß; die weit über den Rachen herausstehende Zunge gleicht einer sich gleichfort wild krümmenden Riesenschlange; die beiden Ohren gleichen denen eines Ochsen in riesenhafter Größe; die Augen sehen aus wie zwei große Platten aus glühendem Erze; die Vorderfüße gleichen denen eines Riesenbären, die Hinterbeine denen eines Löwen von riesenhafter Größe; der Leib ist gleich dem eines Krokodils mit dem Schwanze eines Basilisken (afrikanischer Vampir). Sein Geschrei ist ein dröhnender Knall und sein Atem ein unheimliches Zischen und Pfeifen. Alsogestaltig entsteigt es dem Meere.
3] Am Ufer weiden aber Schafe, Ochsen, Kühe, Kälber und viele Esel. Das Ungeheuer macht sogleich Jagd auf die Haustiere und verschlingt sogleich ein Stück ums andere. Die Haustiere fliehen dann; aber das Ungeheuer fängt an, sich gegen uns zu bewegen.
4] Als mehrere solcher Bewegungen des Ungeheuers ansichtig werden, machen sie sich auf und sagen: „Herr, diese Probe ist etwas zu stark! Etliche Kälber, bei zehn Lämmer und zwei junge Eselsfüllen hat das gräßliche Ungeheuer bereits verzehrt; jetzt möchte es sich hier einen Leckerbissen holen und hat, von seinem Geruche geleitet, sich sicher unter uns etwas ausersehen, weil es nun gerade auf uns zu seinen etwas zögernden Weg eingeschlagen hat. Da dürfte es denn doch ratsam sein, sich diesem Todbringer ein wenig aus dem Wege zu stellen! Denn mit dieser Bestie ist wahrlich auf einem natürlichen Wege kein Kampf zu beginnen, und von einem Siege möchte da wohl schon lange keine Rede sein!“
5] Sage Ich: „Lasset euch nicht im geringsten stören! Äußerlich sind wir dieses Ungeheuers alle zusammen nicht Herr, denn es ist dies ein vollkommen ausgebildeter Leviathan: aber vor unserer inneren Kraft muß er fliehen bis ans Ende der Welt; darum seid völlig unbesorgt! Eine kleine Stunde noch, und ihr habt des Todes Schranken und Grenzfesten durchbrochen, und die Herrschaft über alle Hölle und deren Heer soll euer Lohn sein!“
6] Gleich nach solchen Meinen Worten läßt das Ungeheuer wieder ein paarmal nacheinander seine Knallstimme hören und bewegt sich darauf wieder ganz ruhigen, aber dabei dennoch ziemlich raschen Ganges zu uns hin, seine Freßgier durch das heftige Bewegen seiner Schlangenzunge und durch das beständige Ringeschlagen mit seinem langen und baumkräftigen Schweife nur zu handgreiflich zu erkennen gebend. Aber die Jünger sind nun in bester Verfassung und lassen ohne alle Furcht und Zaghaftigkeit das Ungeheuer auf sich losgehen.
7] Als es uns in die Nähe von zehn Schritten kommt, gebe Ich bloß innerlich dem Engel Archiel einen Wink, und dieser tritt plötzlich vor das Tier hin und fragt es, sagend: „Was suchst du hier, Satan? Weiche – oder ich verderbe dich!“ Da öffnet das Ungeheuer den Rachen und gebärdet sich, als ob es reden wollte; aber der Engel gebietet ihm noch einmal zu weichen! Da stößt das Tier mehrere Knallaute von sich und eilt darauf ins Meer unter gellendem Gezische und Gepfeife.
8] Als es sich aber wieder ins Meer versenkt hatte, da bewegte es eine Zeitlang das Wasser in der großen Bucht so stark, als wenn es vom stärksten Sturme aufgeregt wäre; aber alles das macht nun keinen Jünger mehr irre, und es wird Ruhe in Gott in dieser letzten Stunde mit dem größten inneren Eifer gepflegt.
9] Gegen das Ende der Ruhestunde aber kommt auf einmal ein mächtiges Ungewitter. Heftige Blitze durchzucken die Luft; starke Windstöße beugen die Bäume nahe zur Erde, und starke und schwere Regentropfen, mit Hagel vermengt, entfallen schon dem finstern Gewölk.
10] Einige schwächere Jünger wollten sich schon ins Haus flüchten; aber der Engel sagt: „Bleibet und erkennet des Satans leerstes Gaukelspiel!“ Da bleiben sie und halten den leeren Regen leicht aus. Es regnet zwar immer heftiger, und die Hagelkörner hüpfen ganz munter am Boden herum; aber es wird kein Mensch von einem getroffen, und der Regen macht kaum jemands Haut naß.
11] Da bedräut der Engel das Gewölk, und dieses teilt sich alsobald, und es entsteht sofort der reinste Tag. Nach einigen Augenblicken aber ist die Zeit der Sichselbstbeschauung zu Ende und Baram sagt: „Herr, wie es Dir genehm ist, hier oder im Hause! Das Essen ist bereitet!“
12] Sage Ich: „Laß noch eine halbe Stunde verstreichen, und es wird dann alles in der Ordnung sein! Ich muß noch einige Worte an Meine Jünger richten.“
13] Baram geht wieder auf sein Schiff, allwo in einer großen Kiste mehrere Schläuche besten Weines aufbewahrt sind, und läßt sie von seinen Leuten in die Küche stellen und allda füllen alle Krüge und sagt den Köchen und Köchinnen, daß sie mit dem Anrichten noch eine halbe Stunde warten sollen und erst dann die Speisen anrichten sollen, wenn er ihnen ein Zeichen geben werde. Darauf aber begibt er sich wieder zu Mir und hört mit an, was Ich zu den Jüngern allen über diese Sichselbstbeschauung und über deren Nutzen gesagt habe.
226. - Vom großen Segen der regelmäßigen inneren Selbstbeschau. Von der Wiedergeburt. Zauberischer Geisterverkehr — ein Weg zur Hölle. Wozu muß ein Satan sein? Des Judas Vorwitz und Zurechtweisung
1] Das Gesagte aber lautete: „Ihr habt nun eine neue Art und Weise gesehen, wie der Mensch von der Materie ins stets reiner und reiner Geistige übergehen, und wie er auf diesem Wege ein Herr über sich selbst und dadurch am Ende auch über die ganze äußere Weltnatur werden kann. Darum pfleget von Zeit zu Zeit diesen Weg in Meinem Namen, und ihr werdet zu einer großen Macht über eure Leidenschaften und daraus über die ganze Naturwelt und jenseits über alle Kreatur gelangen.
2] Ihr habt die argen Erscheinungen gesehen, die der Satan euch beschert hat. Sie haben euch in Furcht und Schrecken versetzt; aber ihr habt euch, auf Mein Wort vertrauend, ermannt und habt euch wieder in die Ruhe begeben und seid in solcher Ruhe volle Meister aller der bösen Vorkommnisse geworden.
3] Glaubet aber ja nicht, daß ihr nun schon dem Satan seinen bösen Mut völlig abgekauft habt! Sooft ihr wieder solche Übung mit euch vornehmen werdet, da werdet ihr auch von ihm beunruhigt werden, solange ihr im Geiste nicht völlig neu geboren werdet.
4] Seid ihr aber einmal wiedergeboren aus dem Geiste, dann hat der Satan alle Macht über euch für ewig verloren, und ihr werdet seine Richter sein wie auch aller jener, die er an sich gerissen hat, und die ihr ihm wieder entreißen werdet für ewig!“
5] Fragt Petrus: „Wie wird man denn wiedergeboren? Muß am Ende Seele und Geist wieder in eines neuen Weibes Leib und aus demselben wieder neu geboren werden? Oder wie ist das zu verstehen?“
6] Sage Ich: „Das kannst du nun noch lange nicht völlig fassen. Wenn Ich aber einmal werde aufgefahren sein dahin, von wo Ich gekommen bin, und Mein Geist deinen Geist frei machen wird, dann wirst du des Geistes Wiedergeburt schon fassen und in aller Tiefe und Fülle begreifen. Aber jetzt wäre dir solches noch nicht möglich und keinem aus euch. Aber durch die Befolgung Meiner Lehre und durch solche Lebensübungen wirst du am Ende aus und in dir selbst zu solchem Lichte gelangen.
7] Das begreift man durch keine Lehre und durch keinen Unterricht von außen her, sondern es muß in sich selbst gewonnen werden auf dem Wege, der euch nun für alle Zeiten der Zeiten von Mir gezeigt wird.“
8] Sagt Judas: „Herr, ich habe gewaltige Zauberer und Geisterbeschwörer und Geisterbanner gesehen; die haben geredet mit den Seelen der Verstorbenen, und diese sprachen ordentlich und gaben verborgene Dinge kund. Wie sind denn diese ins Geisterreich gedrungen? Das wird doch auch eine Art geistiger Wiedergeburt sein!?“
9] Sage Ich: „O ja, aber nicht für den Himmel, welcher ist Gottes Thron, sondern für die Hölle, allwo der Satan und seine Engel hausen!“
10] Sagt Judas: „Wenn so, da ist der Satan dann ja auch ein Herr mit vieler, wennschon böser Macht ausgerüstet! Ich meine aber, es wäre denn, so es möglich, doch besser, einen Satan zu vernichten, als tausendmal Tausende durch ihn vernichten zu lassen! Wozu muß in einer göttlichen Ordnung auch ein Satan sein?“
11] Sage Ich: „Dazu, daß er jüngst auch dich fangen wird, weil du dich seiner also annimmst! Du hast noch lange hin, dich nur höchst schwachweg zu erkennen, geschweige die große Ordnung Gottes, die aus sehr weisen Gründen auf der Erde neben dem Tage auch eine Nacht hervorgerufen hat. Begreifst du aus dem Grunde des Grundes die irdische Nacht der Erde, und begreifst du den ewigen Tag jeder Sonne, deren jede auch eine Erde ist gleich der, die dich trägt und ernährt? – Begreifst du solches aber nicht, so frage Ich dich, wie du hier eine Frage stellen kannst, die sich nicht geziemt für einen Menschen vor seinem Herrn, Gott und Schöpfer! Möchtest du nicht auch fragen, warum ein Stein hart und warum das Wasser gar so weich ist, oder warum dir das Feuer einen Schmerz macht und das kühle Wasser keinen?
12] Ich sage dir aber: So du nichts verstehst, so lerne zuvor etwas, und sei dabei stille und eines aufmerksamen Geistes; und verstehst du was aus dem Grunde, dann erst magst du reden und deinen Brüdern verfängliche Fragen vorlegen!
13] Aber sieh, es ist mit dir wie mit aller Dummheit der Menschen: sie schämen sich heimlich wohl derselben, aber sie wollen diese bemänteln durch allerlei weise schimmernden Fragenprunk, bedenken aber nicht, daß sie eigentlich dadurch erst so recht ihre Dummheit auf den Markt tragen! Laß dir darum diese Meine sanften Worte zu einer Witzigung sein, sonst dürftest du einmal so recht tüchtig anrennen, und Ich werde dich so bald nicht aus dem Kote heben!“
14] Diese Worte haben dem Judas seinen Fragemut bedeutend abgekühlt, und er machte darauf auch bedeutende Blicke auf den Thomas hin; aber dieser tat weise, als ob er von dieser Zurechtweisung nichts vernommen hätte, und desgleichen taten auch alle andern Jünger, und Judas war dadurch beruhigt und zog sich weislich zurück.
15] Ich aber sagte zum Baram: „Nun, Bruder, magst du das Mahl fein anrichten lassen, aber diesmal in den Zimmern!“ Baram begibt sich schnell in die Küche und läßt alles schnell herrichten; wir folgen ihm, und in einer Stunde ist das Mahl ganz gemächlich eingenommen.