80. Kapitel – Über zweierlei Liebe.
[GS 2.80.1] Es dürften zwar einige sagen: Moses hat sich später darüber näher ausgesprochen, indem er den Zeugungsakt ordnungsmäßig nur zwischen den gesegneten Ehegatten erlaubt, anderartig aber verboten hat, und hat auf die anderartige Zeugung, besonders wenn ein verheirateter Mann mit dem Weibe eines anderen Mannes diesen Akt begehen möchte, verordnet, daß solch eine Tat als Ehebruch zu betrachten sei und die Ehebrecher sich beiderseits des Todes schuldig machen. Solches ist richtig, aber nachträgliche Verordnungen geben dem einfach im Anfange gegebenen Gesetze dennoch keine andere Gestalt. Wer sich daran binden will, muß im ersten Gesetze seinen Prozeß behaupten; denn weder die Unkeuschheit noch der Ehebruch sind darin auf eine bestimmte Art verboten.
[GS 2.80.2] Wir haben bisher klar erläutert, was man allenfalls unter der Unkeuschheit verstehen könnte. Nachdem aber alles das auf den Zeugungsakt hinweist, so kann man auch die von uns bisher als bekannt angenommene Art der Unkeuschheit unmöglich durch dieses Gesetz als verboten ansehen.
[GS 2.80.3] Nun aber meldet sich ein in der Sache Wohlerfahrener, dieser spricht: Unter Unkeuschheit, die da verboten ist, wird bloß die leere Befriedigung des sinnlichen Triebes verstanden. Gut, sage ich; wenn aber ein Mann mit eines anderen Mannes Weibe, die von ihrem Manne nicht befruchtet werden kann, im Ernste ein Kind zeugt, frage, kann ihm das als sündiger Ehebruch angerechnet werden? Ich frage weiter: Wenn ein Jüngling, von seiner Natur getrieben, mit einem Mädchen ein Kind gezeugt hat, kann ihm das zur Sünde der Unkeuschheit angerechnet werden?
[GS 2.80.4] Ich frage weiter: Wenn ein Mann aus der Erfahrung weiß, daß sein Weib nicht befruchtungsfähig ist, er beschläft sie aber dennoch, weil sie ein üppiges Fleisch hat, das ihn reizt, er also doch offenbar seinen sinnlichen Trieb leer befriedigt; kann ihm dieser Akt zur Sünde der Unkeuschheit angerechnet werden?
[GS 2.80.5] Ich frage weiter: Es gibt besonders in dieser Zeit, wie es sie auch zu allen Zeiten gegeben hat, eine Unzahl Menschen beiderlei Geschlechtes, welche gar wohl zeugungsfähig sind und eine sie mächtig drängende Natur besitzen; aber sie sind vermöge politischer und dürftiger Verhältnisse nicht imstande, sich zu verehelichen. Wenn nun solche doppelt bedrängte Menschen den Akt der Zeugung begehen, sündigen sie wider dieses sechste Gebot?
[GS 2.80.6] Man wird sagen: Sie sollen ihren Trieb Gott aufopfern und sich nicht begatten, so werden sie nicht sündigen. Ich aber sage: Welch ein Richter kann solch einen Fehler als eine wirkliche Sünde erklären? Was hat denn der Reiche darum für ein Verdienst, daß er sich ein ordentliches Weib nehmen kann, vor dem Armen, der dieser Glückseligkeit entbehren muß? Soll somit der Bemittelte ein größeres Recht auf die Zeugung seinesgleichen haben als der Arme? Heiligt also das Geld die Zeugung darum, weil sich der Reiche in den ordentlichen Besitz eines Weibes setzen kann, was tausend Unbemittelten unmöglich ist?
[GS 2.80.7] Dazu läßt sich noch fragen: Wer ist denn so ganz eigentlich schuld an der vielfachen Verarmung der Menschen? Sicher niemand anderer als der glückliche Reiche, der durch seine eigennützige Spekulation viele Schätze an sich zieht, durch welche nicht selten tausend Menschen sich für den ordentlichen Ehestand hinreichend befähigen könnten. Und dennoch sollte da der reiche Ehemann allein von der Sünde der Unkeuschheit frei sein, so er mit seinem ordentlichen Weibe Kinder zeugt, und der Arme allein sollte der Sündenbock sein, weil er sich eben kein Weib nehmen kann? Wäre das nicht geradeso geurteilt, als so man auf der Erde irgendeinen Wallfahrtsort bestimmen möchte und dazu ein Gebot gäbe, demzufolge niemand zu Fuß diesen Ort besuchen darf, um dort irgendeine sein sollende Gnade zu empfangen, sondern ein jeder, der diesen Ort besucht und eine Gnade empfangen will, muß in einer höchst eleganten Equipage dahin gefahren kommen?
[GS 2.80.8] Wer ein solches Gebot für gerecht finden sollte, der müßte doch sicher im Ernste von einer solchen Welt sein, von welcher der Schöpfer Himmels und der Erde selbst nichts weiß, das heißt von einer Welt, die nirgends existiert; oder er müßte ein Abgeordneter des Satans sein!
[GS 2.80.9] Wir sehen aber nun aus diesen Betrachtungen, daß es sich mit der Erklärung unseres sechsten Gebotes durchaus nicht tut. Was werden wir denn anfangen, um diesem Gebote einen vollgültigen Sinn abzugewinnen? Ich sage euch im voraus: Es ist die Sache nicht so leicht, als es sich jemand vorstellen möchte. Ja, ich sage:
[GS 2.80.10] Um den richtigen Sinn dieses Gebotes zu gewinnen, muß man ganz tief greifen und die Sache in der Grundwurzel fassen; sonst wird man sich dabei immer in der zweifelhaften Lage befinden, in der man leichtlich das, was nicht im entferntesten Sinne eine Sünde ist, als Sünde betrachten wird, und was wirklich eine Sünde ist, kaum der Mühe wert halten, es als eine Sünde zu betrachten.
[GS 2.80.11] Wo aber ist diese Wurzel? Wir werden sie sogleich haben. Ihr wisset, daß die Liebe der Urgrund und die Grundbedingung aller Dinge ist. Ohne Liebe wäre nie ein Ding erschaffen worden, und ohne die Liebe wäre so wenig irgendein Dasein denkbar, als wie wenig sich je ohne die wechselseitige Anziehungskraft eine Welt nach dem Willen des Schöpfers gebildet hätte. Wer das etwa nicht fassen sollte, der denke sich nur von einer Welt die wechselseitige Anziehungskraft hinweg, und sobald wird er sehen, wie sich alle Atome einer Welt plötzlich voneinander trennen und sich verflüchtigen werden wie ins Nichts.
[GS 2.80.12] Also ist die Liebe der Grund von allem und ist zugleich der Schlüssel zu allen Geheimnissen.
[GS 2.80.13] Wie aber läßt sich eben die Liebe mit unserem sechsten Gebot in eine erklärende Verbindung bringen? Ich sage euch, nichts leichter als das, indem bei keinem Akte in der Welt die Liebe so innig verwoben ist wie gerade bei dem, den wir zu den unkeuschsündigen rechnen.
[GS 2.80.14] Wir wissen aber, daß der Mensch einer zweifachen Liebe fähig ist, nämlich der göttlichen, welche aller Selbstliebe entgegen, und der Selbstliebe, welche aller göttlichen Liebe entgegen ist.
[GS 2.80.15] Nun fragt es sich: So jemand den Akt der Zeugung begeht, welche Liebe war da der Beweggrund, die Eigenliebe, unter deren Botmäßigkeit auch jegliche Genußsucht steht, oder die göttliche Liebe, welche nur mitteilen will, was sie hat, ihrer selbst gänzlich vergessend? Sehet, wir sind jetzt schon ziemlich dem eigentlichen Hauptkerne auf der Spur.
[GS 2.80.16] Setzen wir nun zwei Menschen: der eine begeht den Akt aus selbstsüchtiger Genußsucht, der andere aber in dankbarer Andacht für die Zeugungsfähigkeit, seinen Samen einem Weibe mitzuteilen, um in ihr eine Frucht zu erwecken. Welcher von den beiden hat denn gesündigt? Ich glaube, hier einen Richter zu machen und ein rechtes Urteil zu fällen, wird eben nicht schwer sein.
[GS 2.80.17] Damit uns aber die Sache völlig klar wird, müssen wir uns auch mit dem Begriffe „Unkeuschheit“ näher vertraut machen. Was ist Keuschheit und was ist Unkeuschheit? Keuschheit ist derjenige Gemütszustand des Menschen, in welchem er aller Selbstsucht ledig ist, oder in dem er rein ist von allen Makeln der Eigenliebe. Unkeuschheit ist derjenige Gemütszustand, in welchem der Mensch nur sich selbst berücksichtigt, für sich selbst handelt und seines Nebenmenschen, besonders in Berücksichtigung des Weibes, gänzlich vergißt.
[GS 2.80.18] Die Selbstsucht aber ist nirgends schmählicher, als wie gerade bei dem Akte, wo es sich um die Fortzeugung eines Menschen handelt. Warum denn? Die Ursache liegt am Tage. Wie der Grund, wie der Same, so auch wird die Frucht. Ist göttliche Liebe, also die Keuschheit der Same, so wird auch eine göttliche Frucht zum Vorschein kommen; ist aber Eigenliebe, Selbst- und Genußsucht, also der unkeusche Zustand des Gemütes der Same, welch eine Frucht wird da hervorgehen?
[GS 2.80.19] Sehet, in dem liegt es, was durch das sechste Gebot verboten ist. Wäre dieses Gebot beobachtet worden, so wäre die Erde noch ein Himmel, denn es gäbe auf ihr keinen selbstsüchtigen und herrschsüchtigen Menschen! Aber dieses Gebot ist schon im Anbeginne der Menschen übertreten worden, und die Frucht dieser Übertretung war der eigennützige und selbstsüchtige Kain.
[GS 2.80.20] Aus dem aber geht hervor, daß nicht nur die sogenannte fälschlich bezeichnete „Unzucht“, welche man besser „Genußsucht“ nennen sollte, in die Reihe unserer zu behandelnden Sünde gehört, sondern jegliche Genußsucht, wie gestaltet sie auch immer sein mag, besonders aber, wenn ein Mann das ohnehin schwache Weib sich eigennützig zum genußsüchtigen Nutzen macht, ist als Sünde der Unkeuschheit zu betrachten. – Ein kurzer Verfolg wird uns die Sache noch klarer vor die Augen bringen. –
81. Kapitel – Was ist Hurerei?
[GS 2.81.1] Man könnte hier sagen, indem es im sechsten Gebote nur heißt: „Du sollst nicht Unkeuschheit treiben“, daß da die Hurerei nicht als verboten angesehen werden kann, da es im sechsten Gebote nirgends heißt: Du sollst nicht Hurerei treiben. – Ich aber sage: Was ist die Hurerei, welcher Art sie auch sein mag, geistig oder fleischlich? Sie ist eine sichere Anbequemung des Lasters, und zwar auf folgende Weise: Man philosophiert sich über die sündige Möglichkeit hinweg, setzt alle Erscheinungen in das Gebiet „natürlicher Bedürfnisse“. Wenn jemandem seine eigene Wesenheit die Forderung kundgibt, sie zu befriedigen, so tut der Mensch zufolge seines Verstandes und seiner Erfindungskraft ja nur etwas Lobenswertes und Ersprießliches, so er für alle zu fordernden Bedürfnisse seiner Natur Mittel zustande bringt, durch welche denselben Genüge geleistet werden kann. Das Tier muß zwar seine Bedürfnisse in der rohesten instinktmäßigen Art befriedigen, weil es keinen Verstand, keine Vernunft und keinen Erfindungsgeist hat. Dadurch aber erhebt sich ja eben der Mensch über das gemein naturmäßig Tierische, daß er allein den Anforderungen seiner Art auf eine raffinierte Weise Genüge leisten kann. Daher sagt der Verstand des Kulturmenschen:
[GS 2.81.2] Wer kann einem Menschen zur Sünde rechnen, so er sich mit Hilfe seines Verstandes ein stattliches Haus zur Bewohnung erbaut, und somit ein ehemaliges Erdloch oder einen hohlen Baum mit demselben vertauscht? Wer kann einem Menschen zur Sünde anrechnen, so er die Baumfrüchte veredelt, aus den sauren Äpfeln und Birnen süße und wohlschmeckende erzeugt? Wer kann einem Menschen zur Sünde anrechnen, wenn er sich einen Wagen erbaut, das Pferd zähmt, und dann viel bequemer eine Reise macht als mit seinen eigenen schwachen, leidigen Füßen? Wer ferner kann noch dem Menschen zum Fehler anrechnen, so er sich die Naturfrüchte zu seiner Nahrung kocht und würzt und sie ihm wohlschmeckender macht? Oder sind die Dinge in der Welt für einen anderen als für den Menschen erschaffen worden, damit er sie zweckdienlich benützen sollte? –
[GS 2.81.3] Wie viel Schönes und Nützliches hat der Mensch zu seiner Bequemlichkeit und zu seiner Erheiterung! Sollte ihm das zum Fehler angerechnet werden, so er durch seinen Verstand seinem Schöpfer Ehre macht, ohne den der Weltkörper so unkultiviert dastände wie eine barste Wüste, auf der alles durcheinanderwüchse in chaotischer Unordnung wie Kraut, Rüben und Brennesseln?
[GS 2.81.4] Wenn aber dem Menschen die verschiedenartige Kultivierung des Erdbodens doch unmöglich zu einem Fehler angerechnet werden kann, obschon sie in sich durchaus kein anderes Zweckdienliches enthält als den angenehmeren und bequemeren Genuß der Dinge in der Welt; so wird doch andererseits auch ein raffinierter Zeugungsgenuß dem Menschen mitnichten können zum Fehler angerechnet werden, indem sich sonst selbst der gebildetste Mensch in diesem Akte am wenigsten von dem Tiere unterschieden hat. Also auch dieser Trieb des Menschen muß auf eine veredeltere und raffiniertere Weise befriedigt werden können, und das aus demselben Grunde, aus welchem man sich bequeme Wohnhäuser erbaut, weiche Kleider verfertigt, geschmackvolle Speisen bereitet, u. dgl. Annehmlichkeiten mehr.
[GS 2.81.5] Man nehme nur den Fall, ein Mensch gebildeten Standes hat zu seiner Befriedigung die Wahl zwischen zwei Weibspersonen, die eine ist eine schmutzige, gemeine Bauernmagd, die andere aber als die Tochter eines ansehnlichen Hauses ist ein wohlerzogenes, sehr nett gekleidetes, am ganzen Leibe makelloses und sonst üppiges und reizendes Mädchen. Frage: Wonach wird der gebildete Mann greifen? Die Antwort wird hier kein Kopfzerbrechen brauchen; sicher nach Nr. 2, denn vor Nr. 1 wird es ihm ekeln. Also ist auch hier eine Verfeinerung sicher am zweckdienlichsten Platze, weil der Mensch durch sie beurkundet, daß er ein höheres Wesen ist, welches alles Unangenehme und Schmutzige zu reinigen und angenehmer darzustellen die volle Macht und Kraft in sich hat.
[GS 2.81.6] Da aber der Mann wie das Weib in dieser Hinsicht ein öfteres Bedürfnis sich zu befriedigen in sich stark wahrnehmen, wobei man doch nicht allezeit die Anforderung machen kann, ein Kind zu erzeugen, wird es da wider die Gebühr der Ausübung seiner Verstandeskräfte sein, wenn er die Mittel aufstellt, durch welche die Befriedigung dieses Triebes zuwege gebracht werden kann, sei es nur durch den blinden Beischlaf mit den Weibern oder durch Selbstbefriedigung oder im Notfalle durch die sogenannte Knabenschändung? Denn dadurch unterscheidet sich ja eben auch der Mensch von dem Tiere, daß er diesen am meisten naturmäßigen Trieb auf anderen Wegen befriedigen kann als gerade auf jenen nur, auf die er von der rohen Natur angewiesen wurde. Und sonach sind ja ganz besonders wohlkonditionierte Bordellhäuser und dergleichen Anstalten mehr zu billigen, und können dem Verstande des Menschen keineswegs zur Unehre, sondern nur zur Ehre gereichen!?
[GS 2.81.7] Sehet, was läßt sich, naturmäßig betrachtet, allem dem entgegen einwenden? Denn das ist richtig, daß das Tier dergleichen Kultivierungen und allerlei Nuancierungen in der Befriedigung seines Geschlechtstriebes nimmer zuwege bringen kann; und so ist darin gewisserart eine Meisterschaft des menschlichen Verstandes unleugbar zu entdecken. Das alles ist richtig, das Tier hat in allem dem seine Zeit, außer welcher es stumpf für die Befriedigung dieses Triebes bleibt.
[GS 2.81.8] Aber was ist alle diese Raffinesse? Das ist eine kurze Frage, aber ihre Beantwortung ist groß und gewichtig. – Diese Raffinesse hat doch sicher nichts anderes zum Grundmotive als die entsetzlich leidige Genußsucht. Die Genußsucht aber, wissen wir, ist ein unverkennbares Kind der Eigenliebe, welche mit der Herrschliebe ganz identisch einhergeht.
[GS 2.81.9] Es ist wahr, in einem stattlichen Hause läßt sich angenehmer wohnen denn in einer niedrigen Erdhütte. Betrachten wir aber die Einwohner! Wie stolz und hochtrabend sehen wir den Bewohner eines Palastes einhergehen, und wie zerknirscht beugt sich der schlichte Hüttenbewohner vor einem solchen glänzenden Palastherrn!
[GS 2.81.10] Betrachten wir die Bewohner einer großen Stadt und dagegen die eines kleinen Bauerndorfes. Die Bewohner der großen Stadt wissen sich vor lauter Genußsucht nicht zu helfen, alle wollen angenehm leben, alle sich unterhalten, alle glänzen und womöglich ein bißchen herrschen. Kommt ein armer Landbewohner in die große Stadt, so muß er wenigstens einen jeden Stiefelputzer usw. „Euer Gnaden“ anreden, will er sich nicht irgendeiner Grobheit aussetzen.
[GS 2.81.11] Gehen wir aber ins Dorf, da werden wir noch Hausväter antreffen, nicht selten friedliche Nachbarn, welche sich nicht „Euer Gnaden“ und „Herrn von“ titulieren. Was ist da wohl vorzuziehen, wenn ein Bauer zum andern spricht: „Bruder!“ oder wenn in der Stadt ein nur wenig Bemittelter einen etwas mehr Bemittelten „Euer Gnaden“ und „Herr von“ und dgl. mehr anspricht?
[GS 2.81.12] Ich meine, es wird kaum nötig sein, dergleichen unsinnige Ausgeburten der Raffinesse des menschlichen Verstandes noch weiter zu verfolgen, sondern wir können sogleich den Hauptspruch machen: Alle derartige genußsüchtige Verfeinerungen sind nach vorangehender Betrachtung nichts als Abgöttereien; denn sie sind Opfer des menschlichen Geistes an die äußere tote Naturmäßigkeit.
[GS 2.81.13] Sind sie aber Abgöttereien, so sind sie auch die barste Hurerei, und daß sie nicht in die Sphäre der Keuschheit aufgenommen werden können, beweist ihre Tendenz.
[GS 2.81.14] Warum wurde Babel eine „Hure“ genannt? Weil dort jede erdenkliche Raffinerie zu Hause war. Also heißt auch „die Hurerei treiben“ im eigentlichen Sinne: der Unkeuschheit dienen nach aller Lebenskraft. So ist ein reicher Ehemann, der sich des alleinigen Genusses wegen ein üppiges und geiles Weib genommen hat, nichts als ein barster Hurer und das Weib eine barste Hure. Und eben also wird auch hier diesen Kindern die Unkeuschheit in ihrem Fundamente gezeigt, wie sie nämlich eine allerbarste Selbst- und Genußsucht ist.
[GS 2.81.15] Es war notwendig, dieses Gebot für euch gründlicher zu beleuchten, weil sich der Mensch über kein Gebot so leicht hinwegsetzt wie über dieses. – Ich meine daher, daß ihr nun auch diesen Vortrag verstehet; und so wollen wir uns denn auch sogleich in den siebenten Saal begeben. –