22. Kapitel – Die anerkennenden Worte des römischen Richters an den Jesusknaben und dessen Rede über die Ordnungsgesetze des Staates und über das göttliche Gesetz der Nächstenliebe.
[DTT 22.1] Hier sagte der Richter: „Aber, du rein aus den Himmeln herabgekommener holdester Knabe! Du bist ja jetzt schon weiser denn alle Weisen, die je auf der Erde gelebt haben! Was wird erst aus dir werden?! – Ja, du bist ein rechter Messias (Mittler zwischen Gott und Menschen), denn noch nie hat je ein Weiser die Unterschiede zwischen Materie, Seele und Geist so klar dargestellt und mit so wenigen Worten wie du! Wahrlich, diese Belehrung verdient eine eigene Belohnung sogar; denn so etwas ist noch nie dagewesen!“
[DTT 22.2] Sagte Ich: „Laß das gut sein, edler Freund! Welchen Lohn könntest du Mir wohl geben, den Ich dir nicht sogleich tausendfach zurückerstatten könnte?! Wahrlich, Ich sage dir, wer je einem seiner bedürftigen Mitmenschen aus wahrer, reiner Liebe zu Gott und den Mitmenschen etwas Gutes tun wird, der wird es Mir tun, und es wird ihm vergolten werden tausendfach! Aber ebenso auch das Schlechte und Böse, das jemand an seinen Mitmenschen verüben wird!“
[DTT 22.3] Sagte der Richter: „Was möchtest du als Schlechtes und Böses, das man den Nebenmenschen nicht erweisen soll, näher bezeichnen?! Ich möchte es wohl wissen, weil ich als ein Richter gar oft in die Lage komme, dem Nebenmenschen oft sehr Übles und Böses zuzufügen, freilich sehr oft wider meinen Willen. Aber unser Gesetz ist ein ehernes und kennt keine Rücksichten, nicht einmal an den eigenen Kindern! – Sage mir darum etwas Haltbares!“
[DTT 22.4] Sagte Ich: „Hättest du die Gesetze gemacht, so könntest du sie auch ändern, aber sie sind ein alter wohlbedachter Volkswille, und du bist gestellt, die Sünder wider solchen Volkswillen zur gerechten Ahndung zu ziehen. So du aber das streng gewissenhaft und gerecht tust, was das Gesetz vorschreibt, so tust du darum kein Böses, sondern nur Gutes!
[DTT 22.5] Denn jedermann, der als Mitglied einer großen Menschengesellschaft lebt, muß sich den Ordnungsgesetzen fügen und sie zu seinen eigenen Lebensmaximen machen. Will er das nicht, so muß er sich als der für sich dastehende offenbar Schwächere die notwendig bitteren Folgen als Widerspenstling der allgemeinen Volksordnung gefallen lassen.
[DTT 22.6] Und der vom Volke oder von dessen herrschendem Repräsentanten, der ein König oder gar ein Kaiser ist, bestellte Richter, der das ihm durch und durch bekannte Gesetz streng und gerecht ausübt, kann nicht anders als nur wohltun, denn er reinigt das Feld der Menschensaat vom Unkraut. – So du aber das tust, erfüllst du deine Pflicht und bist ein Wohltäter der ordnungsliebenden und -beflissenen Menschen.
[DTT 22.7] Daß du als Richter aber hauptsächlich darauf siehst, daß vor allem ein verirrter Mensch durch das Gericht nicht so sehr gestraft, als vielmehr gebessert werde, das ist eine Tugend aus den Himmeln in deinem Herzen, denn du befolgst den ewig wahren Grundsatz der Nächstenliebe, der also lautet: „Was du vernünftigermaßen nicht willst, daß man es dir täte, das tue auch deinen Mitmenschen nicht!“ Damit aber bist du vor Gott wie vor den Menschen schon ganz in der Ordnung und hast gar nicht nötig, dich darum zu kümmern, was da eigentlich gut und was böse ist!
[DTT 22.8] Würden die, so da sitzen auf dem Stuhle Mosis und Aarons, auch so handeln und gehandelt haben, so würden sie nie von euch Römern unterjocht worden sein. Aber da sie nicht mehr dem alten Gesetze treu blieben, das für alle Menschen gleich gegeben ward, sondern sich eigene Satzungen machten nach ihren Gelüsten, so hat Gott denn auch sein Angesicht von ihnen abgewendet und sie gegeben unter die scharfe Zuchtrute der Heiden, unter der sie auch ihrer großen und groben Halsstarrigkeit wegen belassen werden.
[DTT 22.9] Du bist ein Heide und erkennst Mich, diese sind Juden und sollen Kinder Jehovas sein, und sie erkennen Mich nicht und werden Mich auch schwerlich erkennen! Wie ist nun das?! Mir kommt es vor, wie da ein Prophet geredet hat, freilich auch damals schon zu tauben Ohren: ,Er kam zu den Seinen in sein Eigentum, und die Seinen haben Ihn nicht erkannt und nicht aufgenommen!‘ Aber sei dem nun, wie ihm wolle, Ich habe dir nun den rechten Stand der Dinge gezeigt, und es ist nun an der Zeit, jene von dem Oberpriester aufgefundenen Texte näher anzusehen, die auf Mich nicht passen sollen!“