126. Kapitel – Ein Baum als Beispiel vom Wesen des Geisterreiches.
[GS 2.126.1] Im Verlaufe der ganzen Mitteilung aus dem Gebiete des geistigen Sonnenreichs ist wohl in dieser Hinsicht jedes einzelne kleinste Verhältnis gezeigt worden, wie die Geisterwelt mit der naturmäßigen zusammenhängt; und man könnte darum hier füglich sagen: Um aus den Erscheinlichkeiten auf den Grund schließen zu können, wäre es beinahe unnötig, hier noch etwas Weiteres zu sagen, indem eben dieser Gegenstand im Verlaufe der ganzen Mitteilung in all seinen Zweigen hinreichend beleuchtet worden ist.
[GS 2.126.2] Ich aber sage: Des Guten hat der Mensch nie zu viel; wohl aber des Schlechten. Denn viel Gutes mag oft das Schlechte nicht bessern; aber ein wenig Schlechtes kann oft viel Gutes verderben!
[GS 2.126.3] Und so wollen wir auch noch durch manche anschauliche Beispiele unseren vorliegenden Gegenstand so klar als möglich beleuchten.
[GS 2.126.4] Seht an einen Baum. Sein Wesen, wie es da ist, stellt euch das ganze Wesen der Geisterwelt in ihrem Verhältnisse zur naturmäßigen Welt in entsprechender Erscheinlichkeit dar.
[GS 2.126.5] Das Inwendigste des Baumes, der Kern also, ist das Himmlische, der Stamm, die Äste und die Zweige sind das eigentliche Geisterreich, das sein Leben vom inwendigen Kerne hat. Über dem Holze des Stammes werdet ihr die Rinde erblicken, die das Außenerscheinliche des Baumes ist. Die Rinde an und für sich ist tot; aber unter der äußeren toten Rinde befindet sich noch eine andere Rinde, die ihr „die lebendige“ nennt. Diese ist gleich dem Verbindungszustande, wo das Geistige in das Materielle übergeht.
[GS 2.126.6] Betrachten wir die Wirkung dieser Rinde. Aus ihr geht zuerst die äußere tote Rinde hervor, und wieder geht aus dieser lebendigen Rinde all das vergängliche Blätterwerk, wie auch die äußere Form der Blüte und endlich selbst die äußere Schale der Frucht hervor.
[GS 2.126.7] Alle die Produkte aber sind nicht bleibend; sie fallen nach der Zeit, wenn sie ihre Dienste geleistet haben, ab.
[GS 2.126.8] Seht, so ist es mit der Welt und allem dem, was ihr angehört. Alles das gleicht der äußeren Rinde, den Blättern und Blüten, aber auch endlich den Früchten eines Baumes. Diese fallen ab. Aber der Baum besteht und trägt in seinem innern Leben zahllosfältig das Außenbild des Erscheinlichen und Vergänglichen. Wie kann man aber nun aus dem Erscheinlichen auf den inneren wahren Grund schließen? Ich sage: Auf die leichteste Weise von der Welt. Ihr dürfet nur das Erscheinliche euch verunendlichfältigt und zugleich zweckdienlich gesamtwirkend vorstellen, so habt ihr den Grund des Geistigen schon vor euch.
[GS 2.126.9] Der Hauptgrund aber ist ersichtlich dadurch zu finden, daß ihr die ganze vieljährige vegetative Aktion eines Baumes betrachtet. Sie besteht in nichts anderem, als in der steten Mehrung und fortwährend sich steigernden Kräftigung des Lebens.
[GS 2.126.10] Ganz einfach wird dieses in einem einzelnen kleinen Samenkorne in die Erde gelegt. Welche Lebenskraft ursprünglich in diesem Samenkorne ist, z.B. in einer Eichelnuß, kann ein jeder Mensch erproben, wenn er eine solche Nuß in seine Hände nimmt und damit spielen kann wie mit einer Federflaume.
[GS 2.126.11] Wenn aber diese unbedeutende Eichelnuß in die Erde gelegt wird, so fängt sich in ihr das vegetative Leben an zu kräftigen. Ein junger Eichbaum mit höchstens zwei Blättern wird zuerst ersichtlich. In diesem ersten Stadium ist das vegetative Leben des werdenden Eichbaumes noch schwach. Es übertrifft das Gewicht der vorigen glatten Eichnuß kaum um das Zehnfache. Aber betrachten wir es nur um dreißig Jahre später. Da hat es sich schon eine so mächtige vegetative Lebenskraft angeeignet, daß ihr an seinem Stamme mehrere Pferde anbinden könnet, und sie werden ihn mit ihrer riesigen Kraft dem Boden nicht zu entreißen vermögen. Betrachtet es aber in einem Alter von hundert Jahren. Welch ein riesiger, majestätischer Baum, und welche allen Stürmen trotzende Kraft in ihm! Wieviel tausendfältig hat diese hundertjährige Eiche in den gleichen Eichelnüssen ihr ursprüngliches kleines vegetatives Leben reproduziert und wie mächtig hat sie durch ihre Abfälle und dadurch gewisserart mit dem Überflusse ihrer vegetativen Lebenskraft den Boden um sich her gedüngt und ihn zur steten Vermehrung der eigenen Lebenskraft belebt!
[GS 2.126.12] Kurz, ein solcher Baum ist zu einer Welt voll Lebens geworden. Und das alles kam von einer einzelnen unbedeutenden Eichelnuß.
[GS 2.126.13] Sehet, also geht ursprünglich von Mir nur ein Fünklein der Lebenskraft aus, mit dem Vermögen ausgerüstet, sich als eine Lebenskraft bis ins Unendliche zu stärken und zu kräftigen. Und dazu dient eben diese Erscheinlichkeit am Baume zu jedermanns klarster Einsicht.
[GS 2.126.14] Wir sagten ehedem: Aus der lebendigen Rinde geht das erscheinliche Blätterwerk hervor, die äußere Blüte und selbst die Schale der Frucht. In der Frucht selbst bekommt der Keim des Kernes nur ein überaus kleinstes Fünklein aus dem allgemeinen Leben des Baumkernes. Der Kern wird samt der Frucht reif und stellt den Menschen in seiner Welterscheinlichkeit dar. Höchst einfach und wenig sagend ist seine außenerscheinliche Form und gering seine Kraft. Aber er ist gleich einer Eichelnuß. Wenn er in das gute Erdreich Meines Willens gelegt wird, da geht sein innerer Keim auf, und dieser wird endlich selbst zum mächtigen Baume, dessen Kraft die Kraft zahlloser ehemaliger Eichelnüsse übertrifft.
[GS 2.126.15] Und sehet, so hat ein jeder Mensch den Keim seines geistigen Zustandes, der die eigentliche Geisterwelt ist, schon in sich. Er ist auf dieser Welt ein Lebensfünklein, das sich kräftigen soll zu einer Lebenssonne. Aus seinem atomgroßen Lebenskeime soll ein riesiger mächtiger Lebensbaum werden. Und also ist es.
[GS 2.126.16] Wie die Eichelnuß zahllose Wälder voll riesiger Bäume in sich trägt, die sich alle aus dem einzelnen Kerne entwickeln können, so trägt auch der Mensch in seinem klein scheinenden Leben auf dieser Welt eine unendliche Kräftigung und Potenzierung desselben in sich. –
[GS 2.126.17] Es heißt aber im Evangelium, wo der spricht, der sein Talent vergraben hatte: „Ich weiß, daß du ein strenger Mann bist und willst ernten, da du nicht gesät hast. Wo du eins setzest, da willst du tausend gewinnen; darum vergrub ich das Talent, auf daß ich es dir gebe, wie du es mir gegeben hast.“
[GS 2.126.18] Darauf aber spricht der Herr des Talentes: „Ei, du schalkhafter Knecht! Wußtest du, daß ich ein ungerechter Mann bin und will ernten, da ich nicht gesät habe, warum trugst du denn nicht das Talent zu einem Wechsler, der mir darum Wucherprozente gegeben hätte?“
[GS 2.126.19] Sehet, aus dieser Stelle erscheint ganz klar, daß Ich das Leben in den möglichst kleinsten Partien aus Mir hinausstreue in die endlosen Gebiete Meines allwaltenden Seins, um aus einer jeglichen dieser kleinsten Lebenspartien eine übermäßig potenzierte Lebensmasse zurückzubekommen.
[GS 2.126.20] Das ist der wahre innerste Grund alles geistigen Lebens: Aber bin Ich da wirklich ein harter, eigennütziger, ungerechter Lebenswucherer? O nein! Denn außer Mir gibt es ja nirgends ein Leben, und das aus dem einfachen Grunde, weil es ewig nirgends ein „außer Mir“ gibt! Ich bin die Nährquelle ewig für alles Leben!
[GS 2.126.21] Was würde wohl mit dem Leben werden in den Zeiten der Zeiten, so diese Urgrundquelle alles Leben versiegen möchte? Sehet, da würde sich alles Leben ins Unendliche verflüchtigen, und nichts bliebe am Ende übrig als eine ewig leere, finstere, tote Unendlichkeit!
[GS 2.126.22] So aber Ich als die Urgrundnährquelle für alles Leben Mich Selbst in jedem Augenblicke, unendlichfach in Mich Selbst wiederkehrend, stets endlos kräftige und stärke, so wird dadurch alles partielle Leben, welches sich in euch geschaffenen Menschen ausspricht, ja auch ins gleichermaßen Unendliche potenziert, genährt und gestärkt.
[GS 2.126.23] Je stärker der Vater, desto stärker auch die Kinder. Aus der Ameise gehen wohl Ephemeriden, aber keine Adler und Löwen hervor. Überall erzeugt das Schwache wieder Schwaches und das Starke Starkes. Wie aber das Schwache nie Starkes erzeugt, so erzeugt auch das Starke nie Schwaches. Ein Adler ist nie der Erzeuger einer furchtsamen Taube und ein Hase kann sich nicht rühmen, als wäre der Löwe sein Erzeuger.
[GS 2.126.24] So ihr aber Kinder eines allmächtigen Vaters seid und habt den Lebenskeim des Vaters in euch, so kräftiget diesen Keim im guten Erdreiche Meines Willens und machet stark den Vater in euch, so werdet auch ihr dadurch gleichen Maßes im Vater stark werden. Denn der Vater verlangt nicht eure Stärke für Sich, sondern für euch selbst verlangt Er sie, damit auch ihr also vollkommen werden sollet, wie Er Selbst in Sich oder im Himmel vollkommen ist. –
[GS 2.126.25] Sehet, das ist ein Bild, wie ihr von der äußeren Erscheinlichkeit auf den inneren Grund des Lebens schließen könnet. – Nächstens ein anderes Bild zu demselben Zwecke! –
[ER 53.16] Legt ein Weizenkorn und eine Eichelnuß in die Erde und fragt euch dann selbst, welcher Same hier früher die Frucht bringen wird! Das Weizenkorn wird in einigen Monaten sein Gleiches hervorbringen; bei der Eiche werden viele Jahre dazu erforderlich sein. Infusionstierchen können in einer Minute einige hundert Generationen erleben; der Elefant braucht über zwei Jahre, bis er ein Junges zur Welt bringt, und bis er zeugungs- und empfängnisfähig wird, dürften wohl einige 20 Jahre erforderlich sein. Stellt dann den Unterschied zwischen dem Infusionstierchen und zwischen dem Elefanten fest; wieviel Generationen der Infusorien dürfte wohl eine Elefantengeneration zählen?
54. Kapitel – Jellinek beweist aus dem Buch der Natur das Dasein Gottes. Näheres über die Gottheit könne der Mensch aber niemals fassen.
[RB 1.54.1] Spricht Jellinek: "Bis auf dein Fatum ganz vollkommen einverstanden in allem! Aber mit deinem Fatum, weißt du, scheint es, wie die Wiener sagen, einen Faden zu haben, und das einen sehr bedeutenden!"
[RB 1.54.2] Spricht Messenhauser fragend: "Wieso? erkläre dich darüber deutlicher!"
[RB 1.54.3] Spricht Jellinek: "Nur eine kleine Geduld, mein lieber Bruder Messenhauser! Denn weißt du, so was läßt sich nicht sogleich wie mir nichts, dir nichts aus dem Ärmel herausbeuteln! Aber ich will es dennoch versuchen, dir dein leidiges Fatum ein wenig aus deinem Kopfe herauszutreiben.
[RB 1.54.4] "Siehe, du warst dein ganzes Leben lang nur ein Mensch, der sich nie viel mit der höheren Sphäre der Wissenschaften abgegeben hat. Du warst sozusagen schon mit dem Einmaleins zufrieden und kümmertest dich wenig oder nie um die "höhere Mathematik!" - Du weißt schon, was ich mit dieser Anspielung sagen will? Kurz und gut, du warst als Belletrist (Unterhaltungsschriftsteller, Schöngeist) ein Schalen- oder Hülsengelehrter und hast dich wenig um den Kern der Wissenschaften bekümmert. Daher kam es denn auch, daß dir das innere Wesen der Dinge verschlossen bleiben mußte. Weil dir aber dieses Wesen verschlossen blieb, so konntest du auch nie jene wohlbegründete Einsicht bekommen, in der sich dir eine gar wunderbar wohlberechnete Ordnung in all den Dingen und ihren Wirkungen und Gegenwirkungen beschaulich dargestellt hätte. Und so bliebst du nur an der äußern Rinde kleben, die freilich wohl dem ersten Anscheine nach das Aussehen hat, als wäre sie bloß nur des leidigen Zufalles Werk. Aber es ist dem nicht also, sondern ganz anders!
[RB 1.54.5] "Sage mir, Bruder, hast du schon einmal erlebt, daß irgendwo ein Haus mit allen seinen Einrichtungen aus bloßem Zufall entstanden ist? - Du sprichst: "Nein, so was ist noch nie geschehen!« - Gut, sage ich! Wenn der Zufall aber nicht einmal ein dummes Haus zuwege bringen kann, wie soll er eine ganze Erde erschaffen können, aus der wir doch die wohlberechnetsten Wunderdinge in einer Unzahl antreffen, von denen das allereinfachste schon eine viel zu tief durchdachte und weiseste Konstruktion ausweist, als daß man nur von ferne hin, sogar mit verbundenen Augen, aus die Mutmaßung kommen könnte, zu behaupten und zu sagen: Das ist ein Werk des stummen und sozusagen blindesten Fatums! Bruder, du gibst mir recht, und das freut mich! Aber höre mich nur noch ein wenig weiter an!
[RB 1.54.6] "Betrachte du nun erst die wunderbarsten Einrichtungen der Pflanzen! Wie strenge und genau sie in ihrer einmal gestellten Form durch Jahrtausende als stets dieselben vorkommen und ihr Geschlecht und ihre Tauglichkeit auch nicht um ein Atom ändern. Wie unberechenbar kunstvoll muß schon die bloß nur mechanische Gestaltung eines Samenkornes sein, derzufolge es aus der Erde nur die ihm zusagenden Teile an sich zieht, durch die es sich dann wieder, und zwar allzeit vervielfältigt, fortpflanzt! Von dem übersinnlichen Wesen eines Samenkornes will ich gar nichts reden! Denn wer begreift jene rein göttliche Berechnung, derzufolge ein einziges Samenkörnchen zahllose Myriaden seinesgleichen in sich faßt, und das nicht nur in der Form des Samenkornes, sondern auch in der Form der Pflanze, aus der das Samenkorn reift!
[RB 1.54.7] "Nehme nur eine Eichelnuß an! Setze sie ins Erdreich, so wird in Kürze ein ganzer Eichbaum zum Vorscheine kommen, und dieser wird dir dann viele Jahre hindurch eine unzählbare Menge Eichelnüsse abgeben. Wenn du alle diese Nüsse wieder in die Erde legst, so wirst du schon einen Wald von vielen Millionen Eichbäumen haben, die dir alle die gleichen Früchte in einer dir nimmer berechenbaren Vielheit erzeugen werden! Und siehe, das alles liegt wunderbarst in einer jeden Eichelnuß vor unseren Blicken verborgen und ist doch unleugbar da! Wenn aber so, o sage mir dann, ob ein Fatum eine Eichelnuß wohl also einzurichten vermag?"
[RB 1.54.8] Spricht Messenhauser: "Bruder Jellinek, wahrlich, ich muß es dir sagen, daß du ein ganzer Theosoph bist! Dein ganz schlichter Beweis mit der Eichelnuß hat mir mehr gesagt als alle die gelehrten Redensarten, mit denen ich je auf der Erde meinen Gehirnkasten belästigt habe! Von der völligen Nichtigkeit eines Fatums bin ich nun gänzlich und mit geläutertster Erkenntnis überzeugt, und ich brauche weiter gar nichts mehr. Denn dein Beweis war ein schlagender für mich, aber nun kommt etwas anderes:
[RB 1.54.9] "Einen Gott voll der höchsten Urmacht und Weisheit muß es sonach (zwar) geben - das kann mein Gemüt und all mein Verstand ewig nimmer in Abrede stellen! Aber wo und wer ist dieses Gottwesen? Kann es von einem Geschöpfe je erschaut und begriffen werden?! - Ich kann mich noch gar wohl entsinnen, wie ich noch als Studierender in der fünften Gymnasialklasse die sogenannte biblische Geschichte habe zu studieren gehabt und da - so ich mich nicht irre, etwa wohl in einem der fünf Bücher Mosis einen Text gefunden habe. Dieser Text lautete: Gott kann niemand sehen und leben zugleich! Dieser bedeutsame Text soll dem Moses aus einer Feuerwolke zugerufen worden sein, als er an die mit ihm redende Gottheit das heißeste Verlangen stellte, dieselbe nicht nur zu hören, sondern auch zu schauen. Ich muß dir aufrichtig bekennen, daß ich eben zufolge dieses Textes wohl noch immer einerseits so einen gewissen halben Glauben an die Gottheit behielt. Aber was dann den Glauben betrifft, daß der gewisse Jesus die Fülle der Gottheit in sich fassen solle da muß ich euch, meinen beiden liebsten Freunden, ganz offen bekennen, daß ich darin ein reinster Atheist war und noch bin.
[RB 1.54.10] "Es hat zwar die reine Lehre Jesu, natürlich getrennt von den ihr beigemischten Wundermärchen, wahrhaftig die alleredelsten und allerrichtigsten mit der Natur der Menschen vollkommen übereinstimmenden Grundsätze, gegen die sich gar nichts einwenden läßt. Es setzt wahrlich einen vollkommensten Anthropologen (Menschenkenner) voraus, um solche allgemeinst praktikable (brauchbare) Grundsätze aufstellen zu können! Aber daß der Erfinder solcher Grundsätze darum auch ein Gott sein solle, weil er aus dem klar vorliegenden Bedürfnisse der Menschen moralische Grundsätze, die sich mit der allgemeinen Natur der Menschheit am besten vertragen, abstrahiert, zusammengestellt und endlich gelehret hat - das geht über allen Horizont meines Wissens und Glaubens!
[RB 1.54.11] "Die Lehre für sich kann also ganz gut bloß nur menschlichen Ursprunges sein und benötigt keines Gottwesens. Denn so jeder richtigen Lehre Urheber ein Gott sein müßte, da müßte es nun schon beinahe wimmeln vor lauter Göttern auf der Erde! Euklides, als der Erfinder der geometrischen Figuren (einer der wichtigsten Erfindungen), wäre ein Gott! Der Erfinder der Ackergerätschaften, die von unberechenbarer Wichtigkeit sind, wäre schon eine Art Gott-Vater! Der Erfinder der Zahlen ditto! Der Erfinder der Schiffe ebenfalls ein Gott! Und so noch zehntausend und mehr andere allerartige Erfinder von den verschiedensten nützlichsten Dingen! Wie aber das ganze Heer von allerlei Erfindern von gleich großen, wichtigen und nützlichen Dingen nie noch auf eine Vergötterung Anspruch machte, also glaube ich, daß auch der Erfinder der besten und einfachsten Moral wohl darauf hat Verzicht leisten können. Meines Wissens hat er auf die lächerliche Vergöttlichung wohl nie einen Anspruch gemacht. So aber in jener Zeit kurzsichtige und sehr abergläubige Menschen aus ihm einen Gott machten, weil er tausendmal gescheiter war als sie, so soll uns das nun nicht mehr beirren, Jesus nicht mehr lächerlicherweise für einen Gott, sondern nur als das, was er wirklich war, zu halten! Denn ich glaube, daß die gegenwärtige Menschheit es endlich doch einmal einsehen sollte, daß das Unendliche niemals endlich werden kann; daß Gott ewig Gott bleibt, und der beschränkte Mensch nur ein beschränkter Mensch.
[RB 1.54.12] "Doch es lohnt sich hier wahrlich nicht der Mühe, viele Worte darüber zu machen, was gegenwärtig bei allen Grundgelehrten als eine ausgemachte Sache betrachtet wird. - Aber, was ich früher bemerkt habe, nämlich das: Wo und wer so ganz eigentlich die Gottheit ist, deren Dasein ich nun durchaus nimmer bezweifeln kann darüber saget mir etwas, ihr meine beiden lieben Freunde!"
[RB 1.54.13] Spricht Jellinek: "Ja, du mein liebster Bruder Messenhauser, das ist eine ganz verzweifelt kitzliche Sache! Das Wo und das Wer werden wir wohl wahrscheinlich ebensowenig herausbringen, als wie du soeben selbst recht trefflich als Gegenbeweis für die Gottheit Jesu gesagt hast, daß nämlich das Unendliche niemals endlich werden kann! Denn so wir endliche Wesen das unendliche Wesen der Gottheit begreifen wollten, da müßten wir es zuvor endlich machen können, was natürlich ganz Vollkommen unmöglich ist, und ebenso scheint es mir auch vollkommen unmöglich zu sein, von dem unendlichen Gottwesen mehr zu wissen und zu begreifen, als was ich dir früher durch das Beispiel der Eichelnuß gezeigt habe! Ich bin der Meinung, wir sollten uns nun mit etwas anderem abzugeben anfangen. Denn im Punkte der Gottheit werden wir alle drei ganz verzweifelt wenig herausbringen."
[RB 1.54.14] Spricht Becher: "Ja, ja, du hast ganz vollkommen recht! Denn die Gottheit ergründen wollen, heißt wahrlich, wie eine alte, aber recht gelungene Kirchenfabel sagt: das Meer in eine hohle Nuß einfassen wollen! - Lassen wir daher dieses Feld, das kein Ende und kein Absehen hat, und fangen wir von etwas anderem zu parlieren an, z.B. Was etwa unser Freund, der Blum, in dieser Welt, oder was etwa unser Erzfeind, der Windischgrätz, auf der Erde nun macht, und ob er nicht etwa auch bald zu uns herüberkommen wird, wo wir ihn ganz gebührend empfangen würden!
[RB 1.54.15] Spricht Jellinek: "Brüder, was unsern Freund, den samt uns armen Blum betrifft, ja, da bin ich gleich dabei! Aber mit dem Alfredius Windischgrätz verschonet mich; denn diesen Tiger wünsche ich wohl ewig nimmer zu Gesichte zu bekommen! Aber horchet, horchet! Mir kommt es vor, als vernehme ich noch mehrere Menschenstimmen außerhalb der Türe, die nun offenstehet! - Erheben wir uns einmal von diesem unserem Disputiertische und begeben uns zur Türe, um zu sehen, was es etwa außerhalb derselben gibt."